Montag, 3. Oktober 2005

EU-Außenminister einigten sich auf Mandat für Türkeibeitritt

Luxemburg (Luxemburg), 03.10.2005 – Auf dem Krisentreffen der EU-Außenminister in Luxemburg kam es am Abend zu einer Einigung über das Verhandlungsmandat mit der Türkei zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Es bleibt beim Ziel einer Vollmitgliedschaft der Türkei.

Die Verhandlungen, die einen Zeitraum von zehn Jahren beanspruchen könnten, sollten eigentlich heute (3. Oktober 2005) mit einer feierlichen Zeremonie beginnen. Durch die sozusagen in letzter Minute von der österreichischen Regierung vorgebrachte Forderung, als Verhandlungsziel nicht mehr ausdrücklich die Vollmitgliedschaft der Türkei zu erwähnen, war die seit Monaten unstrittige einheitliche Haltung der EU zu den Beitrittsverhandlungen plötzlich in Frage gestellt. Die EU ist nach ihren Statuten auf Einstimmigkeit in dieser Frage angewiesen, andernfalls können die Verhandlungen nicht aufgenommen werden.

Die österreichische Regierung stand mit ihrer Haltung in Europa allein. Lediglich von der CDU/CSU in Deutschland, die zurzeit ja keine Regierungsverantwortung trägt, kam Unterstützung. Ihr Konzept der so genannten „privilegierten Partnerschaft“ hatte bei den europäischen Regierungen keine Gegenliebe gefunden, am allerwenigsten in der Türkei, die sogar mit einer Rücknahme ihres Aufnahmeantrages gedroht hatte, sollten weitere Bedingungen von der EU gestellt werden. Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdoğan hatte noch am Abend betont: „Wir haben unseren Standpunkt klar gemacht und werden weiterhin unseren Standpunkt bekräftigen, der den türkischen nationalen Interessen und politischen Prinzipien entspricht.“

Der immense Druck, der aufgrund der Sachlage auf der österreichischen Verhandlungsdelegation in Luxemburg lastete, führte nun aber zu einem Einlenken der österreichischen Außenministerin Ursula Plassnik. Den ganzen Tag über hatte es Gespräche zwischen der österreichischen Außenministerin und dem britischen Außenminister Jack Straw gegeben. Großbritannien hat zurzeit turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft inne.

Der britische Außenminister hatte eine Warnung vor einer theologisch-politischen Spaltung Europas ausgesprochen, „die die Verbindung zwischen den Staaten der so genannten christlichen Überlieferung und denen mit einem islamischen Erbe weiter auseinander gehen lassen könnte.“

Das beschlossene Dokument mit der genauen Formulierung des EU-Verhandlungszieles mit der Türkei ist noch am Abend an die türkische Regierung übermittelt worden. Mit gespannter Aufmerksamkeit wird nun auf die Antwort aus der Türkei gewartet. Ein offizieller Vertreter der Türkei sagte in Luxemburg: „Die Regierung studiert den Text jetzt, und ihre Entscheidung wird nach einer genauen Prüfung in Ankara getroffen werden.“ Wie die Tagesschau um 20:03 Uhr MESZ meldete, wurde inzwischen Zustimmung aus der Türkei signalisiert. Dies hatten türkische Diplomaten kurz zuvor bekannt gegeben. Der türkische Außenminister Abdullah Gül soll bereits auf dem Weg nach Luxemburg sein. +wikinews+

Sonntag, 2. Oktober 2005

Krisentreffen der EU-Außenminister wegen Türkeibeitrittsverhandlungen

Berlin (Deutschland), 02.10.2005 – Zu einer Krisensitzung kommen die Außenminister der Europäischen Union (EU) am Sonntag zusammen. Nachdem seit Monaten die Marschroute der EU bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei darin bestand, die Verhandlungen mit dem Ziel einer Vollmitgliedschaft zu führen, hatte die Regierung Österreichs in der vergangenen Woche die bisherige Beschlusslage in Frage gestellt. Nach Auffassung Österreichs soll im Verhandlungsmandat der EU die Vollmitgliedschaft nicht direkt erwähnt werden. Bei dem Außenministertreffen am Sonntag soll nun nach einer Lösung gesucht werden.

Österreich ist das einzige Land, das diese Position vertritt. Die Regierung Österreichs befindet sich jedoch in Übereinstimmung mit den Unionsparteien der Bundesrepublik Deutschland, die ebenfalls einen Beitritt der Türkei ablehnen. Der österreichische Alleingang wurde daher auch ausdrücklich vom außenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Friedbert Pflüger begrüßt. Diese ablehnende Position ist innerhalb der EU aber eine Einzelmeinung.

Die österreichische Haltung in dieser Frage wird mit den bevorstehenden Landtagswahlen in der Steiermark in Zusammenhang gebracht. Die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien stoßen in Österreich ebenfalls auf Skepsis.

In einem Interview äußerte sich der EU-Außenbeauftragte Javier Solana jedoch zuversichtlich: „Ich gehe davon aus, dass eine Einigung gelingen wird.“ Seine Zuversicht gründet sich auf entsprechende Erfahrungen mit der Türkeifrage: „Entscheidungen, die die Türkei betreffen, sind auch in der Vergangenheit immer erst in letzter Minute getroffen worden.“

Die Verhandlungen mit der Türkei sind seit langem ein innenpolitischer Zankapfel in Deutschland zwischen SPD/Grünen einerseits und Union/FDP andererseits. Während die rot-grüne Bundesregierung sich für einen Beitritt der Türkei stark machte, weil ihr seit zehn Jahren entsprechende Versprechen gemacht worden waren, will die Union lediglich eine so genannte privilegierte Partnerschaft ermöglichen, die in der Türkei allerdings auf wenig Gegenliebe stößt. +wikinews+
  • Türkei EU-Mitgliedschaft